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Nervenschonende Prostatektomie

Wunsch oder Wirklichkeit?

Die radikale Prostataektomie ist die Standardbehandlung bei Prostatakrebs. Sie beschreibt die chirurgische Entfernung der gesamten Prostata.

Die häufigsten Nebenwirkungen der radikalen Prostatektomie sind die erektile Dysfunktion und die Urininkontinenz. Verursacht werden diese Nebenwirkungen durch die Beschädigung wichtiger anatomischer Strukturen während der operativen Entfernung der Prostata.

Erektile Dysfunktion entsteht durch die Beschädigung des sogenannten neurovaskulären Bündels, einem Gefäß- und Nervengeflecht, dass in und auf der Prostata verläuft und für die Erektion des Penis verantwortlich ist.

Die Urininkontinenz, der unwillkürliche Verlust von Urin, entsteht durch die Beschädigung des Schließmuskels der Harnblase, der unterhalb der Prostata lokalisiert ist.

Während in einfachen Schemata der radikalen Prostatektomie das neurovaskuläre Bündel meist als „Kabelstrang“ dargestellt wird, ist es in Wirklichkeit ein äußerst komplexes Netzwerk aus kleinen und kleinsten Gefäßen und Nerven in und auf der Prostata – und somit während einer radikalen OP nicht zu erhalten (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: a: Anatomisches Präparat eins neurovaskulären „Bündels“ (NVB), ein diffuses Netzwerk aus kleinen und kleinsten Nerven und Gefäßen, von hinten betrachtet.
b: Entsprechendes Schema der Prostata, ebenfalls von hinten betrachtet.
c und d: Fiber Tracking des NVB auf MRT-Aufnahmen, die die Komplexität der winzigen Nervenfasern und deren diffuse Anordnung aufzeigen.

Interfasciale oder intrafasciale nervenschonende radikale Prostatektomie

Während bei der in Abbildung 2A gezeigten sogenannten „interfascialen nervenschonenden radikalen Prostataektomie“ die Prostata zwischen der endopelvinen Fascie (EF), einer Bindegewebsschicht die die Prostata umgibt, und der Prostatafascie (PF) disseziert, also chirurgisch herausgelöst wird, wird bei der in Abbildung 2B gezeigten sogenannten „intrafascialen nervenschonenden radikalen Prostataektomie“ die Prostata zwischen der Prostatfascie (PF) und der Prostatakapsel (PC) disseziert.

Dabei wird das neurovaskuläre Bündel (NVB) und der prostatische Pedikel (PP) teilweise erhalten – aber eben auch teilweise durch die Dissektions- bzw. Schnittebene (gestrichelte Linie) zerstört 1.

A: Prostatektomie

Abkürzungen:
PC = Prostatakapsel
PF = Prostatafascie
NVB = neurovaskuläres Bündel
PP = prostatischer Pedikel
B: Intrafasciale nervenschonende Prostatektomie

Impotenz und Inkontinenz

Häufig trotz nervenschonender Roboter-assistierten radikalen Prostatektomie (RARP)

Während nach der herkömmlichen Roboter-assistierten radikalen Prostatektomie (RARP) 70 bis 80% der behandelten Männer unter einer erektilen Dysfunktion leiden und 20 – 50% unter Inkontinenz leiden, reduziert die nervenschonende RARP diese Nebenwirken. Jedoch nicht auf null.

Ein Jahr nach der nervenschonenden Operation leiden immerhin noch 38 – 40 % der operierten Männer unter einer erektilen Dysfunktion, während bei 20 und 40% der Männer eine signifikante Harninkontinenz vorliegt.

Ist die nervenschonende OP also doch nicht nervenschonend genug?

Die Gründe hierfür sind vielfältig. Auch bei der nervenschonenden OP wird das neurovaskuläre Bündel (NVB) beschädigt, eben weil es kein gut definierter „Kabelstrang“ ist, der leicht zu identifizieren und freizupräparieren wäre. Die komplexe Anatomie des NVB in und auf der Prostatakapsel macht einen Erhalt unmöglich. In Japan wurde diese versucht: In Operationen, die bis zu 10 Stunden dauerten, wurde versucht, das NVB freizupräparieren. Ohne Erfolg. Auch lagen die Impotenzraten bei ca. 40%.

Überhaupt nicht berücksichtigt werden bei dem Versuch, die für die Erektion und Kontinenz verantwortlichen Nerven zu erhalten, Nervenstränge die außerhalb des neurovaskulären Bündels verlaufen. Diese in ihrer anatomischen Lokalisation variablen Nervenstränge, die ebenfalls für die Erektion des Penis und die Harnkontinenz eine wichtige Rolle spielen, waren bis vor kurzen anatomisch überhaupt nicht bekannt. Außerdem können sie vor einer OP nicht lokalisiert und damit auch nicht geschont werden. Prof. Patric Walsh von der Johns Hopkins Universität hat immer wieder darauf hingewiesen, dass die Anatomie der Prostata und der sie umgebenden Strukturen in den meisten Anatomiebüchern strakt vereinfacht oder schlichtweg falsch dargestellt wird – und daran hat sich bis heute wenig geändert.

Überhaupt nicht berücksichtigt werden bei dem Versuch, die für die Erektion und Kontinenz verantwortlichen Nerven zu erhalten. Das sind Nervenstränge, die außerhalb des neurovaskulären Bündels verlaufen. Diese in ihrer anatomischen Lokalisation variablen Nervenstränge, die ebenfalls für die Erektion des Penis und die Harnkontinenz eine wichtige Rolle spielen, waren bis vor kurzen anatomisch überhaupt nicht bekannt. Außerdem können sie vor einer OP nicht lokalisiert und damit auch nicht geschont werden. Prof. Patric Walsh von der Johns-Hopkins-Universität hat immer wieder darauf hingewiesen, dass die Anatomie der Prostata und der sie umgebenden Strukturen in den meisten Anatomiebüchern stark vereinfacht oder schlichtweg falsch dargestellt wird – und daran hat sich bis heute wenig geändert2.

Abbildung 3: Lagerung des Patienten in Kopftieflage zur Roboter-assistierten radikalen Prostatektomie (RARP): Verlagerung des Darmes kopfwärts um Platz für die Roboterarme im Unterbauch zu schaffen.

Neue Entwicklungen:

Single-port transperineale Roboter-assistierte Prostatektomie – die weniger invasive und belastende Alternative der Da Vinci Operation

Die moderne Weiterentwicklung der roboterassistierten da Vinci Methode, die mehrere Zugänge (Ports) über den Bauchraum hin zur Prostata (intraperitoneal) benötigt, ist die „single port“ (Einzelzugang) Da Vinci Operation, die einen Zugangsweg zur Prostata nutzt, ohne den Bauchraum zu eröffnen (extraperitoneal). Dabei ist der Zugang über den Beckenboden der schonendste3.

Erste Studien konnten zeigen, dass der transperineale extraperitoneale Zugang mit dem OP-Roboter neben besseren kosmetischen Resultaten auch eine wesentliche schnellere Genesung der Patienten garantiert. Durch die Vermeidung des peritonealen Zugangsweges werden Komplikationen im Zusammenhang mit Verletzungen und Blutversorgungsstörungen des Dünne- und Dickdarmes ebenso vermieden wie Probleme mit der systemischen Resorption von CO2, einer Nebenwirkung die auf das “Aufblasen” des Bauchraumes mit CO2 zur Verdrängung des Darmes bei der transperitonealen RARP auftritt.

Der wichtigste Vorteil der single-port transperinealen RARP ist jedoch die Vermeidung der steilen Trendelenburg Position, die bei der herkömmlichen transperitonealen RARP notwendig ist. Damit können lagerungsbedingte kardiale, pulmonale und neurologische Nebenwirkungen vermieden werden.

Abbildung 4A: zeigt eine seitliche Ansicht des Zuganges (Port, grün) im Bereich des Beckenbodens (Perineum). Die Prostata wird in ca. 5 cm Tiefe auf diesem Weg direkt erreicht, ohne die Notwendigkeit, die Bauchhöhle (Peritoneum) zu eröffnen. Eine Kopftieflagerung des Patienten ist nicht erforderlich.
4B: Ansicht des perinealen Ports (grün) von außen.
4C: Schematische Ansicht des Ports (grün) und der Roboterarme von außen.
4D: Intraoperative Ansicht der single-port transperinealen Roboter-assistierten Prostatektomie (Bild aus: Akca et al. Cleveland Clinic Ohio USA).

Warum radikal wenn es auch fokal und schonend geht?

Radikale Operationen gab es früher zuhauf. Frauen wurde die Brust abgeschnitten, Patienten mit Nierenkrebs die Niere entfernt. Berühmt und berüchtigt wurde US-amerikanische Chirurg William Stewart Halsted, der davon beseelt war, durch immer radikalere Operationen Frauen von Brustkrebs zu heilen. Dazu entfernte er nicht nur die Brust, sondern auch Teile der Brustwand und der Schulter und verstümmelte die betroffenen Frauen – unnötigerweise wie sich später herausstellte. Heute wird Brustkrebs fokal behandelt, durch Entfernung des Krebsherdes unter Erhalt der Brust. Und die Überlebensraten sind nicht schlechter, sondern besser geworden. Auch bei Nierenkrebs wird meist nur noch der Tumor und nicht die ganze Niere entfernt.

Nur bei Prostatakrebs hat sich die schonende fokale Entfernung des Krebsherdes unter Erhalt der Prostata bisher nicht durchgesetzt. Man fragt sich warum. Eine wissenschaftlich fundierte Antwort darauf gibt es nicht.

Dass das radikale Herausschneiden von Krebs im gesunden Gewebe Krebs nicht heilen kann, ist seit langem bekannt. Zum Zeitpunkt der Entdeckung des Krebsherdes haben sich von diesem ausgehen schon seit Jahren einzelne Krebszellen im ganzen Körper verteilt, über Blut- und Lymphgefäße. Nur so ist zu erklären, dass nach der radikalen Prostatektomie, nach der ja der Prostatakrebs zusammen mit der Prostata aus dem Körper entfernt wurde, Jahre nach der Operation Rezidive und Metastasen auftreten. Und Rezidive sind nach radikaler Prostatektomie häufig, wie in den HAN Tables der Johns Hopkins Universität nachgelesen werden kann

Irreversible Elektroporation
(IRE – NanoKnife)

Nervenschonend ohne Operation

Doch auch die Entwicklung in der Urologie ist nicht stehengeblieben. Vorangetrieben durch Entwicklungen in der interventionellen Radiologie wurden in den letzten Jahren zunehmend schonendere aber nicht weniger effektive fokale Therapien für Prostatakrebs entwickelt.

Die neueste und zur Zeit vielversprechendste Methoden sind sogenannte Elektroporationsmethoden wie IRE (Irreversible Elektroporation, NanoKnife®), mit denen Prostatakrebs ohne Inkontinenz und in den meisten Fällen ohne Impotenz behandelt werden kann.